Das Organisationskomitee (OK) der Olympischen Spiele in München wurde von Präsident Willi Daume geleitet und war für die Vorbereitung der Spiele zuständig. Im Mai 1969 bezog es das Bürogebäude in der Saarstraße 7 in unmittelbarer Nähe des Olympiaparks. Dort waren anfangs sämtliche Abteilungen untergebracht. Bis zum Beginn der Spiele mussten die vorhandenen Räumlichkeiten jedoch für letztlich 15 Abteilungen und über 500 Mitarbeiter*innen beständig erweitert werden.

Unbekannt, Fotografie, 1966, Stadtarchiv München (DE-1992-FS-ERG-G-0305)

Unbekannt, Fotografie, 1966, Stadtarchiv München (DE-1992-FS-ERG-G-0305)

Unbekannt, Fotografie, 14.12.1970, IMAGO/WEREK

Unbekannt, Fotografie, 14.12.1970, IMAGO/WEREK
Auch die Abteilung XI für Visuelle Gestaltung hatte in diesem Gebäude ihre Büroräume. Das Department wurde von Otl Aicher geleitet, der 1967 als "Gestaltungsbeauftragter für die Olympischen Spiele" engagiert worden war.

Unbekannt, Fotografie, um 1970, dpa/Süddeutsche Zeitung Photo

Unbekannt, Fotografie, um 1970, dpa/Süddeutsche Zeitung Photo
Das Konzept, das Aichers Abteilung entwickelte, begriff Gestaltung als Ordnungsaufgabe. Es umfasste sämtliche Bereiche und verlieh den Spielen ein einheitliches Erscheinungsbild: angefangen bei den Eintrittskarten und Werbeplakaten über die Bekleidung des Personals bis hin zum weltweit ersten offiziellen Olympia-Maskottchen sowie den bis heute auf internationaler Ebene verwendeten Piktogrammen.
Diese konsequente Einheitlichkeit der Gestaltungselemente, die sich aus einem kleinen Repertoire formaler und farblicher Elemente zusammensetzte, machte das visuelle Erscheinungsbild von Olympia '72 so unverwechselbar. Weltweit wurde es damit zum Vorbild für ein modernes, konsequent über verschiedene Anwendungen hinweg abgestimmtes Corporate Design.
"Leicht. Freundlich. Bunt. Die Regenbogenspiele"
Otl Aichers Ziel war es, mithilfe der visuellen Gestaltung den Spielen einen "Charakter der Ungezwungenheit, Offenheit, Leichtigkeit und Gelöstheit" zu verleihen. Dieser Anspruch prägte auch die Auswahl der Leitfarbe: ein helles Blau, die "Farbe der Jugend, des Friedens und des strahlenden Himmels".

Otl Aicher und Team, Plakat, 1970, Münchner Stadtmuseum/IOC

Otl Aicher und Team, Plakat, 1970, Münchner Stadtmuseum/IOC
Ergänzend kamen ein helles Grün sowie Weiß und Silber hinzu. Die Farben Gold und Rot wurden bewusst als "Machtfarben der Diktatoren" ausgeklammert und durch das Farbenspektrum des Regenbogens ersetzt. Damit war Olympia '72 nicht zuletzt auf visueller Ebene als heiterer Gegenentwurf zu den mit nationalem Pathos aufgeladenen Spielen von Berlin 1936 angelegt.
Ergänzt wurde die Farbskala durch ein umfassendes Zeichensystem und die Verwendung einer einheitlichen Schrifttype. Zusammengenommen sollten diese Gestaltungselemente eine spielerisch ungezwungene Atmosphäre der Spiele betonen. Mit der Univers fiel die Wahl auf eine Groteskschrift, die nach Aichers Meinung "unpathetisch, frisch, leicht und agil" wirkte und "Sachlichkeit mit dem Eindruck von Jugendlichkeit und natürlicher Eleganz" verband.
Die Olympia-Kleidung: fröhlich, bunt und praktisch
Die Bekleidung der rund 20.000 Olympia-Offiziellen war Teil des visuellen Erscheinungsbilds 1972. Sie sollte modern, ansprechend und trotzdem praktisch sein und sorgte für eine eindeutige Identifikation der Beteiligten mit den Olympischen Spielen. Verantwortlich dafür war die Designerin Vera Simmert, die ab 1969 in der Abteilung XI tätig war. Ab 1971 unterstützte der international renommierte französische Couturier André Courrèges das Büro unter Otl Aicher mit seinen Entwürfen.

In: BILD Olympia, hg. v. den Sportredaktionen der Zeitungen BILD und BILD am SONNTAG, Hamburg 1972, S. 50f./ullstein bild

In: BILD Olympia, hg. v. den Sportredaktionen der Zeitungen BILD und BILD am SONNTAG, Hamburg 1972, S. 50f./ullstein bild
Das Olympiapersonal wurde in acht Gruppen unterteilt, denen jeweils eine Farbe zugewiesen war. Die Angehörigen des OK trugen dunkelblaue Kleidung, das Jurypersonal Rot. Außerdem gab es Dunkelgrün, Orange, Silbermetallisch und Gelb, was dem visuellen Erscheinungsbild der "Regenbogenspiele" entsprach. Overalls, Blazer und Anzüge im Safarilook prägten die Kollektion. Diese sollte Weltoffenheit suggerieren, weckt aber auch Assoziationen an Kolonialismus.

Unbekannt, Plakat, 1972, Münchner Stadtmuseum/IOC

Unbekannt, Plakat, 1972, Münchner Stadtmuseum/IOC
Lediglich die Kleidung der Hostessen hob sich vom vorgegebenen Stil ab. Die hellblau-weißen Dirndl sollten die Farben des bayerischen Himmels widerspiegeln. Auch die Bekleidung der Sicherheitskräfte war hellblau-weiß gestaltet. Die im legeren Stil gehaltenen Uniformen unterstrichen auf visueller Ebene die bewusst als friedlich und "heiter" geplanten Olympischen Spiele.

Unbekannt, Fotografie, 1972, IMAGO/Frinke

Unbekannt, Fotografie, 1972, Schule Informationstechnik der Bundeswehr/Archiv Lehrsammlung
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Der japanische Designer Masaru Katsumi entwarf die ersten bekannten Piktogramme für die Olympischen Spiele 1964 in Tokio. Sie sollten dafür sorgen, dass alle internationalen Gäste der Sportveranstaltungen die Hinweisschilder lesen konnten.
An diesen Zeichen orientierten sich Otl Aicher und sein Team, als sie 1967 begannen, ein eigenes, international verständliches Leitsystem zu entwerfen. Sie verfeinerten die Symbole und bezogen sie in das visuelle Erscheinungsbild der Spiele 1972 ein. Als Basis für die neu entwickelten Sport- und Informationspiktogramme diente ein gestalterisches System aus Linien und Rastern.
Die 21 Sportpiktogramme zeigen jeweils einen vereinfacht dargestellten Menschen in einer für die Sportart typischen Bewegung. Jedes Körperteil ist streng geometrisch angelegt, entweder im 45°, im 90° oder im 135° Winkel. Hauptverantwortlich für die Gestaltung war Gerhard Joksch.
Daneben übernahmen die zahlreichen Informationspiktogramme die Funktion der Beschilderung auf dem Olympiagelände und den weiteren Veranstaltungsorten. Entwickelt wurden sie von Alfred Kern, Andreas Farhni, Dieter Gromann und Martin Strohkendl.
Das Copyright und die Eigentumsrechte an sämtlichen Zeichen gingen später an Aicher über. Daher gilt er heute als "Vater des geometrischen Mannes" und nimmt mit den Piktogrammen einen festen Platz in der Designgeschichte ein.
Entwurfsvarianten des Piktogramms für Fußball.
Gerhard Joksch, Fineliner auf Papier, um 1970, Privatarchiv Joksch
Überblickstabelle mit Zeitplan für einzelnen Wettbewerbe der Olympischen Spiele 1972.
Unbekannt, Plakat, 1971, Münchner Stadtmuseum/IOCDas Piktogramm für Radfahren beim 100-Kilometer-Mannschaftsfahren der Männer auf dem Abschnitt der A95 zwischen Starnberg und Schäftlarn.
Unbekannt, Fotografie, 1972, Schule Informationstechnik der Bundeswehr/Archiv Lehrsammlung
Otl Aicher, der als "Vater des geometrischen Mannes" in die Designgeschichte eingegangen ist, vor einer Wand mit Piktogrammen verschiedener Sportarten. Hauptverantwortlich für die Gestaltung der Bildzeichen war Gerhard Joksch.
Sven Simon, Fotografie, 1970, Sven Simon/Süddeutsche Zeitung Photo
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Die Sportplakatserie stellte ein Novum in der Geschichte der Olympiaplakate dar. Erstmals zeigten Plakatmotive sämtliche Sportdisziplinen, die bei den Olympischen Spielen ausgetragen wurden. Die Plakate dienten jedoch nicht, wie sonst üblich, als Werbemittel für die einzelnen Sportwettbewerbe. Vielmehr erfüllten sie eine repräsentative Funktion. Sie verkörperten die Olympischen Spiele als Ganzes und unterstrichen bildhaft die "heiteren Spiele" von München in einem modernen und demokratischen Deutschland.
Als Grundlage für die Gestaltung verwendete das Team um Otl Aicher – Gerhard Joksch, Henri Wirthner, György Nagy, Gabriele Pée und Nanke Claassen – Reportagefotografien. Dabei wurde jeweils ein Motiv ausgewählt, das die Sportler*innen in einer für die jeweilige Disziplin typischen Haltung zeigt. Diese Konzentration auf das Charakteristische einer jeden Sportart ließ das Plakat zu einem international verständlichen Zeichen werden.
Nach der Entfernung aller störenden Elemente erfolgte die farbliche Verfremdung des bearbeiteten Fotos. Dabei war jedem Plakat eine Leitfarbe zugeordnet. Diese wurde zusätzlich mit zwei bis vier weiteren Farben aus dem Olympia-Farbspektrum kombiniert. Damit fügten sich die Plakate nahtlos in das Gesamterscheinungsbild der Spiele ein und erhielten ihren seriellen Charakter.
Erstmals bei den Olympischen Spielen wurde jede der 21 Sportarten in München 1972 mit einem eigenen Plakat beworben. Zusätzlich gab es ein Sonderplakat für die Leichtathletikwettbewerbe.
Otl Aicher und Team, Plakate, 1970-1972, Münchner Stadtmuseum/IOC -
Widerstandsfähig, hartnäckig und beweglich: So lauten die Charaktereigenschaften des Dackels, der als bayerisches Lieblingstier zum Maskottchen der Olympischen Spiele in München wurde.
Angeblich war der Dackel des Vorsitzenden der Internationalen Sportjournalistenvereinigung, Felix Levitan, das Vorbild für Waldi. Als Levitan in München nach einem Nachfolger für seinen verstorbenen Hund suchte, überreichte ihm Willi Daume selbst, seinen neuen Dackel. Dabei soll Daume auf die Idee gekommen sein, diesen zum Maskottchen der Spiele zu erheben.
Elena Winschermann, die zum Team um Otl Aicher zählte, entwarf das erste offizielle Maskottchen der Olympischen Spiele. Zwar hatte es bereits vier Jahre zuvor in Grenoble "Shuss" gegeben, ein kleines Männchen auf Skiern. Kaum vermarktet war es jedoch ziemlich unbekannt geblieben.
Waldi hingegen wurde vollständig in das visuelle Erscheinungsbild der Spiele 1972 miteinbezogen und wird bis heute von einer Trademark geschützt. Es gab Waldis aus Stoff, Holz und Plastik, als Kuscheltier, Schlüsselanhänger und als auseinandernehmbare Holzfigur.
Elena Schwaiger (geb. Winschermann) ist Grafikerin und die Designerin des Olympia-Maskottchens "Waldi". Sie war während der Vorbereitungen auf die Olympischen Spiele zunächst als Praktikantin und später festangestellt in der Abteilung XI bei Otl Aicher beschäftigt. Olympiamaskottchen Waldi als Kuscheltier.
Otl Aicher/Elena Winschermann (Entwurf), Baumwolle, Filz und Kunstfaser, 1972, Münchner Stadtmuseum/IOC
Merchandising-Artikel für die Olympischen Spiele,
UFA 1971
Der Präsident des Nationalen Olympischen Komitees, Willi Daume (rechts), überreicht dem Versitzenden der Internationalen Sportjournalistenvereinigung, Felix Levitan (Mitte), seinen neuen Dackel.
Heinz Gebhardt, Fotografie, um 1970, IMAGO/Heinz Gebhardt
Elena Schwaiger (geb. Winschermann), die Schöpferin von Olympiamaskottchen Waldi, im Jahr 2020 mit dem Prototyp aus Holz.
Alessandra Schellnegger, Fotografie, 2020, Alessandra Schellnegger/Süddeutsche Zeitung PhotoEin Souvenirverkäufer vor dem Olympiastadion mit einer Auswahl an verschiedenen Waldi-Maskottchen.
Unbekannt, Fotografie, 1972, Schule Informationstechnik der Bundeswehr/Archiv Lehrsammlung -
Die "Strahlenspirale" gilt als eines der besten Logos, die jemals für die Olympischen Spiele entwickelt wurden. Schöpfer war der Designer Coordt von Mannstein. Oftmals wird auch der Künstler Victor Vasarely mit diesem Symbol in Verbindung gebracht. Dieser hatte ein Künstlerplakat mit dem berühmten Emblem der Spiele von 1972 entworfen.
Die Suche nach einem geeigneten, aussagekräftigen und international verständlichen Zeichen gestaltete sich damals schwierig. Die Auswahl fiel letztlich auf einen Emblemvorschlag, der mit abstrakten Formen arbeitete. Konkrete Bezüge zu Sport, Architektur oder Austragungsort fehlten. Der Entwurf von Mannsteins fußte auf einer als "Strahlenkranz" bezeichneten Idee von Otl Aicher, die er radikal und dynamisch weiterentwickelte.
In farblich abgewandelter Form war die "Strahlenspirale" bis 2013 jeden Samstagabend unmittelbar vor der Tagesschau bei der Bekanntgabe der Gewinnzahlen der "GlücksSpirale" im Fernsehen zu sehen. Dort erinnerte das regenbogenfarbene Logo und der Name der Lotterie an das spiralförmige Emblem der Olympischen Sommerspiele von München.
Der Grafiker Coordt von Mannstein (links) mit dem Präsidenten des Organisationskomitees Willi Daume und dem Gestaltungsbeauftragten für die Olympischen Spiele Otl Aicher (rechts) während der Präsentation des offiziellen Emblems der Spiele von München. Die "Strahlenspirale" steht fälschlicherweise auf dem Kopf.
Rudi Dix, Fotografie, 1968, Stadtarchiv München (FS-NL-RD-0982J36)Der Präsident des Organisationskomitees Willi Daume (rechts) mit dem Maler Victor Vasarely (3. v.l.) vor dem von ihm gestalteten Gobelin mit dem offiziellen Emblem der Olympischen Spiele 1972 im Olympiaturm.
Fritz Neuwirth, Fotografie, um 1971, Fritz Neuwirth/Süddeutsche Zeitung PhotoFernsehmoderator Kai Pflaume vor Studiodekoration und Logo der Sendung GlücksSpirale 1996.
Unbekannt, Fotografie, 1996, Teutopress/Süddeutsche Zeitung Photo