Der Zuschlag für die Olympischen Spiele in München führte ab 1966 zu einer umfassenden Modernisierung der Stadt. Im Zuge der Vorbereitungen entstand auch die Fußgängerzone. Sie wurde am 30. Juni 1972 als bis dahin weitläufigster Fußgängerbereich Deutschlands eröffnet. Mit ihrer 50.000 Quadratmeter großen Flaniermeile übernahm die Stadt bundesweit eine Vorreiterrolle. Die Errichtung dieser autofreien Zone war jedoch heftig umstritten.

Rudi Dix, Fotografie, 1972, Stadtarchiv München (DE-1992-FS-NL-RD-2030FII24)

Rudi Dix, Fotografie, 1972, Stadtarchiv München (DE-1992-FS-NL-RD-2030FII24)

Herbert Michalke, Fotografie, um 1971, Aldiami/Herbert Michalke/Timeline Images/Süddeutsche Zeitung Photo

Herbert Michalke, Fotografie, um 1971, Aldiami/Herbert Michalke/Timeline Images/Süddeutsche Zeitung Photo
Kritik entzündete sich daran, dass der vorgesehene Raum für Fußgänger*innen überdimensioniert sei, die Kundschaft ausbleiben und die Einnahmen der Geschäfte einbrechen würden. Tatsächlich nahm die Bevölkerung den neuen Fußgängerbereich jedoch besser an als erwartet. Mit täglich 120.000 Passant*innen lag die Zählung im Juli 1972 doppelt so hoch wie anfangs angenommen. Auch die Umsätze des Einzelhandels erhöhten sich deutlich.
Die Gestaltung des Fußgängerbereichs zwischen Karlsplatz und Marienplatz war 1967 in einem städtebaulichen Ideenwettbewerb ausgelobt worden. Danach erhielten der erste und vierte Preisträger den Auftrag zur Planung.
Die Architekten Bernhard Winkler und Siegfried Meschederu entwickelten ein Konzept aus unterschiedlichen Bodenbelägen. Eigens für die Fußgängerzone wurden Leuchten und Blumentröge gestaltet. Aufgrund ihres Aussehens verliehen ihnen die Münchner*innen die Spitznamen "Wärmflaschen" und "Schraubenmuttern". Heute kann man den Pflanzkübeln aus Beton in ganz Europa begegnen.

Unbekannt, Fotografie, 1973, IMAGO/United Archives

Unbekannt, Fotografie, 1973, IMAGO/United Archives
Vom Vorzeigeprojekt zur "Ramschmeile"
Die gestiegene Attraktivität der Geschäftslage in der Innenstadt führte nach 1972 zu einer erheblichen Steigerung der Mieten. Viele traditionelle Einzelhandelsgeschäfte mussten schließen und wurden durch große Handelsketten ersetzt. Gleichzeitig nahm die Einwohnerzahl in der Altstadt stark ab. Geschäfte verdrängten zunehmend die Bewohner*innen.

Unbekannt, Fotografie, 1978, Stadtarchiv München (DE-1992-FS-STB-6706)

Unbekannt, Fotografie, 1978, Stadtarchiv München (DE-1992-FS-STB-6706)
In der Folge verschlechterte sich die Qualität des Angebots, wodurch auch das Erscheinungsbild der Fußgängerzone litt. Mitte der 1980er Jahre deutete sich die Gefahr des Abgleitens zur billigen "Ramschmeile" an. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, beschloss die Stadt ein Entwicklungskonzept zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität in der Innenstadt.
Teil der damit eingeleiteten Maßnahmen war 1997 die Generalsanierung der Fußgängerzone. Dabei wurde der Bodenbelag, der dem hohen Anlieferverkehr nicht standhielt durch stärkere Platten ersetzt.

Robert Haas, Fotografie, 2014, Robert Haas/Süddeutsche Zeitung Photo

Robert Haas, Fotografie, 2014, Robert Haas/Süddeutsche Zeitung Photo
Auch künftig wird die Innenstadt ein zentrales Handlungsfeld der Münchner Stadtentwicklung bleiben. Die Umwandlung des Tals in einen Fußgängerbereich wurde 2020 beschlossen. Zusammen mit anderen Maßnahmen, wie etwa dem Altstadt-Radlring, soll damit langfristig ein Beitrag zur Verkehrswende geleistet werden. Erklärtes Ziel ist es, die Lebensqualität in der Stadt zu steigern.

Florian Peljak, Fotografie, 2019, Florian Peljak/Süddeutsche Zeitung Photo

Florian Peljak, Fotografie, 2019, Florian Peljak/Süddeutsche Zeitung Photo
"Die größte Baustelle der Bundesrepublik"
Nach dem Zweiten Weltkrieg wuchsen Bevölkerung und Wirtschaft in München schneller als in jeder anderen bundesdeutschen Großstadt. Vor diesem Hintergrund entschied sich die Kommune für einen umfassenden Stadtumbau.

Fritz Neuwirth, Fotografie, 1959, Fritz Neuwirth/Süddeutsche Zeitung Photo

Fritz Neuwirth, Fotografie, 1959, Fritz Neuwirth/Süddeutsche Zeitung Photo
Der 1963 beschlossene Stadtentwicklungsplan sollte ursprünglich bis in das Jahr 1990 verwirklicht werden. Mit dem Zuschlag für die Olympischen Spiele ließen sich die in ihm formulierten Ziele allerdings deutlich schneller realisieren. München erlebte von 1966 bis 1972 eine Modernisierung im Zeitraffer und erhielt den Beinamen "Die größte Baustelle der Bundesrepublik". Das Olympiajahr wurde zum magischen Termin für alle Aktivitäten in der Stadt.

Rudi Dix, Fotografie, 10.7.1963, Stadtarchiv München (DE-1992-FS-NL-RD-2031K17)

Rudi Dix, Fotografie, 10.7.1963, Stadtarchiv München (DE-1992-FS-NL-RD-2031K17)
Herbert Jensen, der den Stadtentwicklungsplan federführend erstellt hatte, legte eine neue Verkehrshierarchie für den Stadtkern fest. An erster Stelle rangierten nun nicht länger Kraftfahrzeuge, sondern die Fußgänger. Die Verlegung des Verkehrs aus dem Stadtkern heraus sollte die Voraussetzung hierfür schaffen. Mit dem Bau eines Altstadtrings sowie einer U- und S-Bahn wurde die Errichtung einer Fußgängerzone zwischen Stachus und Marienplatz erst ermöglicht.

Unbekannt, Fotografie, um 1965, SZ Photo/Süddeutsche Zeitung Photo

Unbekannt, Fotografie, um 1965, SZ Photo/Süddeutsche Zeitung Photo

Herbert Michalke, Fotografie, 1968, Aldiami/Herbert Michalke/Timeline Images

Herbert Michalke, Fotografie, 1968, Aldiami/Herbert Michalke/Timeline Images
Damit ebnete der sogenannte Jensen-Plan Münchens Weg zur modernen Großstadt. An der Nordseite des Karlstors ist zur Erinnerung an den Architekten eine Gedenktafel angebracht.