Seit Ende der 1950er Jahre litt München unter einer starken Zunahme des Kraftfahrzeugverkehrs. Die Einwohnerzahl überschritt 1957 die Millionengrenze und der Stachus wurde zum verkehrsreichsten Platz Europas. Um dieses rasante Wachstum aufzufangen, beschloss der Stadtrat 1963 erstmals einen Stadtentwicklungsplan.

Rudi Dix, Fotografie, 1958, Stadtarchiv München (DE-1992-FS-NL-RD-0140-A-33)

Rudi Dix, Fotografie, 1958, Stadtarchiv München (DE-1992-FS-NL-RD-0140-A-33)
Die Vergrößerung Münchens sollte mit sogenannten Entlastungsstädten wie Neuperlach und Freiham sowie umfassenden Verkehrsprojekten gesteuert werden. Die damalige Devise lautete: Wachsen um jeden Preis. Eine behutsame Entwicklung der Altstadt und die Bewahrung des Charakters Münchens spielten dabei eine deutlich untergeordnete Rolle.

Unbekannt, Fotografie, 1970, Stadtarchiv München (DE-1992-FS-STB-5106)

Unbekannt, Fotografie, 1970, Stadtarchiv München (DE-1992-FS-STB-5106)
Ein wichtiger Bestandteil der Maßnahmen war der Bau der kreisförmig um den Stadtkern gelegten Ringstraßen: des Altstadtrings und Mittleren Rings. Ergänzt wurden diese beiden Umgehungsstraßen durch einen Autobahnring, der den Fernverkehr um München herumführte. Zusammen mit sternförmig auf das Zentrum zulaufenden Zubringerstraßen sollte so ein leistungsfähiges Hauptstraßennetz geschaffen werden, das dem Verkehrsaufkommen gewachsen war.

Fritz Neuwirth, Fotografie, 1967, Fritz Neuwirth/Süddeutsche Zeitung Photo

Josef Beck, Fotografie, 2008, Josef Beck/imageBROKER/Süddeutsche Zeitung Photo
(Teilstück Olympiagelände), 1970
Mit einem enormen Kraft- und Geldaufwand konnten die Ringstraßen und weitere wichtige Teile des Verkehrssystems bis zu den Olympischen Spielen 1972 fertiggestellt werden.
Der "Verkehrs- und Parkring" um die Altstadt
Nach dem Konzept des 1963 beschlossenen Stadtentwicklungsplans sollte die Anlage des Altstadtrings die Verkehrsprobleme im Bereich der Innenstadt lösen. Als "Verkehrs- und Parkring" um das Stadtzentrum gelegt, schuf er zudem die Voraussetzungen für den Bau der Fußgängerzone. Damit wandte sich München von dem bisher vorherrschenden Konzept der "autogerechten Stadt" ab, bei dem der Individualverkehr Vorrang hatte

Raigro, Fotografie, 1987, Raigro/Timeline Images

Raigro, Fotografie, 1987, Raigro/Timeline Images
Der Altstadtring stellte das größte Umbauprojekt in München nach dem Zweiten Weltkrieg dar. Die Planungen, die noch auf die NS-Zeit zurückgingen, wurden im Zuge des Wiederaufbaus von Stadtbaurat Karl Meitinger angepasst. Die Westhälfte des Rings konnte bis zum Stadtjubiläumsjahr 1958 fertiggestellt werden. Danach begann der Bau der östlichen Hälfte der Umgehungsstraße, die 1968 für den Verkehr freigegeben wurde. Im Olympiajahr 1972 war der Bau des Altstadtrings abgeschlossen.

Rudi Dix, Fotografie, 1966, Stadtarchiv München (DE-1992-FS-NL-RD-0062H26)

Rudi Dix, Fotografie, 1966, Stadtarchiv München (DE-1992-FS-NL-RD-0062H26)
Als innerste Ringstraße umschließt er die Innenstadt und verläuft ungefähr entlang der zweiten mittelalterlichen Stadtmauer. Im Unterschied zu anderen Städten war in München beim Abtragen der Stadtbefestigung im 19. Jahrhundert kein Boulevard um die Altstadt herum angelegt worden. Die für die Anlage der Umgehungsstraße notwendigen städtebaulichen Eingriffe waren daher massiv. Der Bau rief heftige Bürgerproteste hervor.

Matthias Ferdinand Döring, Fotografie, 2016, Matthias Ferdinand Döring/Süddeutsche Zeitung Photo

Matthias Ferdinand Döring, Fotografie, 2016, Matthias Ferdinand Döring/Süddeutsche Zeitung Photo
"Die zweite Zerstörung Münchens"
Der Bau des Altstadtrings veränderte das Stadtbild Münchens erheblich. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Ring durch die Innenstadt gebrochen und über existierende Straßen geführt. Dabei konnten zum Teil Baulücken, die infolge der Kriegszerstörungen durch Luftangriffe im Stadtbild entstanden waren, genutzt werden. Andernorts musste erst durch Abriss von Gebäuden Platz für die Umgehungsstraße geschaffen werden.

Rudi Dix, Fotografie, 1966, Stadtarchiv München (DE-1992-FS-NL-RD-0062H13)

Rudi Dix, Fotografie, 1966, Stadtarchiv München (DE-1992-FS-NL-RD-0062H13)

Rudi Dix, Fotografie, 1966, Stadtarchiv München (DE-1992-FS-NL-RD-0062H28)

Rudi Dix, Fotografie, 1966, Stadtarchiv München (DE-1992-FS-NL-RD-0062H28)
In die drei königlichen Prachtstraßen – Maximilian-, Ludwig- und Prinzregentenstraße – wurden Schneisen für den Ring eingefügt und historische Bauten abgetragen. Diese im Zuge des Stadtumbaus der 1960er Jahre vorgenommenen Eingriffe bezeichnete der Architekturhistoriker Erwin Schleich als "die zweite Zerstörung Münchens". Insbesondere das Vorhaben, den Altstadtring unter dem Prinz-Carl-Palais in einen Tunnel zu verlegen, rief 1966 heftige Proteste hervor.

Unbekannt, Fotografie, 1968, Stadtarchiv München (DE-1992-FS-ERG-U-0001)

Unbekannt, Fotografie, 1968, Stadtarchiv München (DE-1992-FS-ERG-U-0001)

Rudi Dix, Fotografie, 1966, Stadtarchiv München (DE-1992-FS-NL-RD-0062H15)

Rudi Dix, Fotografie, 1966, Stadtarchiv München (DE-1992-FS-NL-RD-0062H15)
Letztlich gelang es der Bürgerinitiative "Münchner Bauforum" nicht, den Bau des Tunnels zu verhindern. Allerdings griff der damalige Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel die Idee des "Bauforums" auf und gründete 1968 das "Münchner Diskussionsforum für Stadtentwicklungsfragen". Daraus entstand 1972 das noch heute bestehende "Münchner Forum" als Möglichkeit für Bürger*innen, bei Planungsentscheidungen mitzusprechen.